MOONDOG Herbst 2024

M O O N D O G

Louis (Thomas) Hardin


„A musician, a poet, a wise and loving man and very much a playful child“ *


Louis Hardin, Sohn eines anglikanischen Pfarrers und einer Mutter, deren Familie aus dem Schwarzwald stammt, wird am 26. Mai 1916 in Marysville/Kansas geboren. Im Alter von 16 Jahren verliert er infolge einer Dynamit-Explosion das Augenlicht.

Gefördert von seinen Eltern erlernt er auf Schulen in Missouri und Iowa die Blindenschrift (Brailleschrift), beginnt sich für klassische Musik zu begeistern und erhält Unterricht in Geige, Klavier, Orgel, Gesang und Musiktheorie. Ein Stipendium ermöglicht es ihm, in Memphis/Tennessee Musik zu studieren.

1943 zieht es Hardin nach New York. Jahrelang steht er an der Ecke der 6th Avenue und 53rd Street in Wikinger-Kleidung, Ausdruck seiner Begeisterung für die nordische Sagenwelt.
Er pflegt mit vorbeikommenden Passanten Gespräche über Geschichte, Philosophie und Politik. Dabei bietet er kleine Texte, Sinnsprüche und Kompositionen an und wird bald zu einem markanten Fixstern im New Yorker Stadtbild.
Einer augenzwinkernden Anekdote zufolge gibt das auf der anderen Straßenseite gelegene Hilton-Hotel in einer Annonce für die New York Times seine Adresse mit „gegenüber von Moondog“ an. So nämlich nennt sich Louis Hardin ab 1947, inspiriert durch einen seiner Blindenhunde, der, wie er berichtet, „mehr als jeder andere Hund den Mond anheulte“.

Bald werden berühmte Musiker auf ihn aufmerksam.
Artur Rodziński, damaliger Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker, lädt ihn zu Proben ein. Er begegnet Igor Stravinsky und Arturo Toscanini. Leonard Bernstein ist von seinem singulären Talent überzeugt und setzt sich für seine Musik ein. Der Komponist Philip Glass wohnt eine Zeit lang bei ihm. Mit dem Jazz-Saxophonisten Charlie „Bird“ Parker sind gemeinsame Auftritte geplant, die aber wegen dessen frühen Todes nicht zustande kommen. Hardin widmet ihm eines seiner berühmtesten Stücke, Bird’s Lament, dessen Noten sich über Jahre im Besitz Bernsteins befunden haben sollen.
In den späten 60er Jahren erscheinen erste Schallplatten-aufnahmen bei CBS.

Eines Tages ist Moondog plötzlich verschwunden. In einer Talkshow bedauert der Singer-Songwriter Paul Simon den vermeintlichen Tod eines seiner größten Vorbilder.

Was ist geschehen?
Der Hessische Rundfunk lädt Hardin 1974 zu zwei Konzerten nach Frankfurt am Main ein. Der Musiker empfindet dies als eine Art Rückkehr in seine musikalische Heimat.

„Mir kommt es so vor, als ob ich mit einem Fuß in Amerika
und mit dem anderen in Europa stehe,
oder mit dem einen in der Gegenwart und mit dem
anderen in der Vergangenheit.“
Moondog

Hardin bleibt in Deutschland, lebt als Straßenmusiker u.a. in Hamburg und Hannover. 1976 nimmt ihn eine Familie Göbel in ihr Haus in Oer-Erkenschwick auf.
Tochter Ilona wird ihm bis zu seinem Tode als Weggefährtin und Managerin zur Seite stehen. Unzählige seiner Kompositionen überträgt sie von Braille- in Notenschrift.
Am 8. September 1999 stirbt Louis Hardin in Münster und findet auf dem dortigen Zentralfriedhof seine letzte Ruhestätte.

Selbstbewusst verortet Moondog sein Komponieren in der Nachfolge Bachs, Beethovens und Brahms’. Doch scheinen Kategorien wie Klassik, Jazz, Pop nicht recht zu greifen.
Hardins Tonsatz folgt zumeist den Gesetzen des Kanons, der denkbar strengsten der musikalischen Formen (Stimmen folgen einander in gleicher Gestalt). Hardins erweiterte Harmonien und seine Vorliebe für ungerade Taktarten (5/4 Takt) sind aus dem Jazz bekannt. Die Eingängigkeit seiner Melodien teilt er mit der Popmusik. Vor allem ist der Tonfall seiner zumeist kaum mehr als drei- bis fünfminütigen Stücke reich an Eigensinn und Charme und wird dabei stets durchpulst von einer Art Herzschlag der Trommeln.

Aus Moondogs Feder stammen Orchesterkompositionen ebenso wie Stücke, die in unterschiedlichsten Gestalten (Instrumente, Gesang) ausführbar sind.

In zwei Programmen wollen wir das Werk Louis Hardins einem Weilheimer Publikum erschließen und uns dabei der ganzen Bandbreite seines Schaffens nähern.

Für unser Konzert im Stadttheater Weilheim am Sonntag, den 03.11.24, wird eine kleinere Besetzung mit Joscha Arnold (Saxophon, Sounds), Severin Rauch (Schlagzeug) und Florian Appel (Klavier) gemeinsam mit dem Schauspieler Waldemar Kobus eine Collage aus Musik und Texten Moondogs ersinnen. Erweitert werden wird diese Formation um Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Weilheim und Mitglieder des Weilheimer Kammerorchesters.

Zwei Wochen später wird dieses Ensemble dann neben das Weilheimer Kammerorchester treten. Zu dessen alljährlichem Herbstkonzert werden Werke Hardins in größerer Besetzung erklingen. Aufführungsort wird am Samstag, den 23.11.24 die Große Hochlandhalle in Weilheim sein.

Mit großer Neugier, Spannung und Vorfreude sehen wir diesen Projekten entgegen!
Florian Appel


*  „Ein Musiker, ein Dichter, ein weiser und liebevoller Mann und ein sehr verspieltes Kind“ Susan Lee Miller. Introduktion to Moondog’s Yearbook 1967

Quellen: Arne Blum und Wolfgang Gnida. Moondog. Eine Sammlung zum 99. Geburtstag. Berlin 2015 – moondogscorner.de




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